Forum Musikwirtschaft unterstützt den Künstler*innen-Appell „Spielt das Urheberrecht nicht gegen uns aus!“
Das Forum Musikwirtschaft begrüßt, dass die Künstler*innen selbst deutliche Kritik an den Vorschlägen des Bundesjustizministeriums (BMJV) zur Umsetzung der DSM-Richtlinie zum Urheberrecht in Deutschland üben. Inzwischen haben sich mehr als 650 Musiker*innen und Bands in ihrem Appell „Spielt das Urheberrecht nicht gegen uns aus!“ an die politischen Entscheidungsträger*innen gewandt.
In dieser bisher einmaligen Aktion haben Künstler*innen quer durch alle Genres und Generationen in einem für sie durch die aktuelle Corona-Krise ohnehin wirtschaftlich extrem unsicheren und belastenden Umfeld auch zur Umsetzung der DSM-Richtlinie Stellung genommen. In ihrem Appell verweisen sie darauf, welche fatalen Auswirkungen auf ihre Arbeits- und Lebensrealität die vorliegenden Entwürfe zur Umsetzung der DSM-Richtlinie hätten. Das Forum Musikwirtschaft teilt die Befürchtungen der Künstler*innen, unterstützt ausdrücklich ihre Forderungen und hofft, dass dieser Appell zu einem Umdenken bei den politischen Entscheidungsträger*innen führt.
Verbände und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft haben die Ansätze des BMJV in der Vergangenheit vielfach scharf kritisiert und unter anderem auch auf die Abweichungen vom europäischen Kompromiss und die Unvereinbarkeit mit europäischem Recht hingewiesen. Bislang ist nicht erkennbar, dass die Entwürfe das von der DSM-Richtlinie angestrebte Level-Playing-Field zwischen Uploadplattformen und Rechteinhaber*innen herstellt und den Uploadplattformen klar die Verantwortung für ihre Inhalte zuweist.
Dr. Götz von Einem, Vorstandsmitglied des Deutschen Musikverleger-Verbands (DMV): „Die geplante Bagatellregelung stellt die Rechteinhaber und ihre Partner vor vollendete Tatsachen: Die freie Benutzung von bis zu 1.000 Zeichen Text – darunter fällt ein Großteil aller Liedtexte – oder 20 Sekunden einer Tonspur zu erlauben, kommt beinahe einer Enteignung der Urheber*innen gleich. In 20 Sekunden kann ich die Pointe eines Films oder den Refrain eines Songs packen, ohne dafür den oder die Urheber*innen wenigstens um Erlaubnis fragen zu müssen. Ein Geschäftsmodell wie TikTok, das die Rechteinhaber gerade erst lizenziert haben, wird damit auf einen Schlag lizenzfrei und um ein Vielfaches lukrativer – für den Diensteanbieter wohlgemerkt, die Urheber*innen bleiben auf der Strecke.“
Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI): „Der Protestbrief macht überdeutlich: Wir müssen beim Thema Verantwortlichkeit von Online-Plattformen endlich Klartext reden! Die Verpflichtung der Plattformen zum Lizenzerwerb für urheberrechtlich geschützte Inhalte ist in der europäischen Richtlinie explizit vorgesehen, die Schritte sind konkret beschrieben. Unsere Branche erwartet die korrekte Umsetzung dieses europäischen Kompromisses. Alle bisher vorliegenden Entwürfe des BMJV ignorieren ihn in inakzeptabler Art und Weise. Mehr noch: Sie beschneiden die Rechte der Kreativen und ihrer Partner tiefgreifend – an zahlreichen Stellen in offenem Widerspruch zum europäischen Recht.“
Mark Chung, Vorstandsvorsitzender des Verbandes unabhängiger Musikunternehmer*innen(VUT): „Wir unterstützen die Forderungen der Künstler*innen zu 100%. Die DSM-Richtlinie setzt auf faire Lizenzverträge als Schlüssel zum Gelingen eines Interessensausgleichs aller Beteiligten. In den aktuellen Entwürfen wird dieses Ziel verfehlt. Stattdessen werden die im Musikmarkt bereits funktionierenden Ansätze zerstört. Dass die Justizministerin gerade in dieser Zeit die Rechte von Künstler*innen und Kreativwirtschaft opfert, um letztlich die Interessen von Google und Facebook zu stärken, ist eine Kriegserklärung an uns alle.“
Daniel Knöll, Geschäftsführer der Society Of Music Merchants e. V. (SOMM): „Die vorliegenden Entwürfe des Justizministeriums sind so nicht akzeptabel. Zumal es bereits eine vertretbare Entscheidung aus Europa gab. Ein deutscher Sonderweg, der Umsätze und Gewinne einiger monopolartig auftretender Plattformbetreiber zu Lasten von Künstler*innen zementiert, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Hier ist ein Punkt erreicht, an dem es um eine richtungsweisende Entscheidung geht: Will das Ministerium Kreativität, die die Menschen glücklich macht und die Vielfalt und den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern - oder geht es nur noch um die Gewinne von Plattformbetreibern? Künstler*innen müssen von ihrem Schaffen leben können. Ihre Lebensgrundlage wird hier aufs Spiel gesetzt.“
Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV): „Es ist erstaunlich, dass das BMJV trotz der evidenten Schäden, die Urheberrechts-verletzungen in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere bei Musikautor*innen und Musikproduzent*innen angerichtet haben, bei der Umsetzung der DSM-Richtlinie nun ohne jede Notwendigkeit einen europäischen Alleingang beschreitet, der geeignet ist, Rechteinhaber ein weiteres Mal um die Früchte ihrer Arbeit zu bringen. Einerseits investiert die Regierung z.B. über die Initiative Musik zunehmend Fördermittel dafür, dass Künstler*innen und ihre wirtschaftlichen Partner ermuntert werden, ihre berufliche Existenz zu etablieren. Andererseits schützt sie ihre Arbeit nicht, indem sie es Plattformbetreibern leicht macht, diese vergütungslos zu nutzen. Es ist dringend geboten, dass hier nachgebessert wird.“
Karsten Schölermann,stellv. Vorstandsvorsitzender der LiveMusikKommission(LiveKomm): „Es ist unredlich, Netzpolitik auf dem Rücken der sowieso schwächsten Beteiligten innerhalb der sich neu bildenden Wertschöpfungsketten zu betreiben. Ohne Not wird ein Stück der sowieso schon knappen Vergütungsmöglichkeiten geopfert, um eine ganz andere Diskussion zu führen. Es ist zumutbar, und angemessen, dass Plattformbetreiber fragen – bevor sie verbreiten, was andere geschaffen haben. Dass neue Kunstformen dadurch behindert würden, ist ein Hilfsargument, welches an der eigentlichen Frage vorbei geht: ‚I´d like to be asked, before I get fucked‘ heißt es dazu im bislang unveröffentlichten Rock‘n’Roll-Gesetzbuch.“
Das Forum Musikwirtschaft besteht aus den sechs maßgeblichen Verbänden des Wirtschaftsbereichs. Im Einzelnen sind dies der <link bdkv.de/>BDKV</link> (Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft), der <link www.musikindustrie.de/>BVMI</link> (Bundesverband der Musikindustrie), der <link www.dmv-online.com/>DMV</link> (Deutscher Musikverleger-Verband), die <link www.livekomm.org/>LIVEKOMM</link> (Verband der Musikspielstätten in Deutschland), <link www.somm.eu/startseite>SOMM</link> (Society Of Music Merchants) und der <link www.vut.de/index.php;VUT</link> (Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen). Es umfasst damit die wesentlichen Sektoren der Musikwirtschaft, die durch ihre komplexen Wertschöpfungsstrukturen eng miteinander verzahnt sind. Das Forum versteht sich als Diskursraum, in dem zentrale Themen der Musikwirtschaft identifiziert und erörtert werden, um sie an die Politik und die Öffentlichkeit zu adressieren. Die Kooperation ist getragen von dem Verständnis, sich auch mit anderen Marktteilnehmern auszutauschen und damit situationsabhängig die Sicht aller Branchenakteure in ihrer Gesamtheit zu reflektieren. Das Forum hat keine feste Verbandsstruktur und strebt auch nicht die Position eines Dachverbands der Branche an. Vielmehr werden gemeinsame Themen gemeinschaftlich nach außen getragen, wobei jeder Verband dabei vorrangig die Interessen seiner Mitglieder vertritt und für diese spricht.
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